Hintergrund und Motivation
Smart-City-Lösungen eröffnen vielversprechende Perspektiven für die Transformation kommunaler Lebensräume durch den Einsatz vernetzter Technologien. Nach einer vielversprechenden Pilotphase besteht die Herausforderung darin, eine umfassende Nutzung und Verstetigung in Kommunen zu ermöglichen sowie auf eine Vielzahl weiterer Kommunen zu übertragen. Diese Untersuchung nimmt genau diese Herausforderung zum Ausgangspunkt und fokussiert die zentrale Frage, wie erfolgreiche Innovationsprozesse aus der Digitalwirtschaft in Governance-Prozessen von Smart-City-Vorhaben verankert und übertragen werden können. Der aktuelle Forschungsstand zu unterschiedlichen privatwirtschaftlichen Kontexten offenbart dabei eine breite Diskussion über die entscheidenden Faktoren für die Skalierung digitaler Lösungen. Anhand erfolgreicher Start-ups und Scale-ups im öffentlichen und privaten Bereich zeigt die Literatur aber auch, dass digitale Projekte Eigendynamiken entfalten, die von klassischen Projektmustern abweichen.
Die Motivation dieser Roadmap ist für die Bereiche Verstetigung und Transfer von kommunalen Smart-City-Lösungen zweigeteilt: Einerseits sollen sinnvolle Kriterien identifiziert werden, um sicherzustellen, dass kommunale Smart-City-Projekte nicht nur kurzfristige Erfolge in einer Pilotphase verzeichnen, sondern nachhaltig in der Kommune eingesetzt und im urbanen Ökosystem weiterentwickelt werden können. Zum anderen liegt der Fokus auf der Identifikation von Faktoren, die einen Transfer dieser Lösungen über die Grenzen einzelner Kommunen hinaus ermöglichen. Bereits in der Smart City Charta (vgl. BBSR/BMUB 2017) wird auf die wichtige Rolle der Überprüfung von Wirksamkeit und Skalierbarkeit hingewiesen. Dabei spielen die Integration in bestehende technische und organisatorische Strukturen, der Kompetenzaufbau in den Kommunen und der Zusammenschluss in Kooperationen sowie die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen eine wesentliche Rolle.
Diese interaktive digitale Roadmap greift damit die Vielzahl der in der Literatur beschriebenen Faktoren für die Skalierung digitaler Lösungen auf, übersetzt sie für die kommunale Praxis und untersucht sie im Hinblick auf die Verteilung der Verantwortlichkeiten zwischen den verschiedenen Akteuren sowie die Anforderungen an unternehmerisches Handeln und Denken. Dabei werden nicht nur die technologischen Herausforderungen berücksichtigt, sondern auch die vielfältigen organisatorischen, finanziellen und wirtschaftlichen Aspekte, die die Entwicklung digitaler Projekte beeinflussen. Die Studie zielt darauf ab, eine Auswahl entscheidender Kriterien zu identifizieren, die eine langfristige Nutzung, Weiterentwicklung und Übertragung von Smart-City-Lösungen zu begünstigen.
Methode zur Entwicklung der Roadmap
Eine umfassende Desktoprecherche von Studien bildet die Grundlage dieser Roadmap (Quellen). Damit bildet sich das Verständnis der Skalierbarkeit von Smart-City-Lösungen aus dem aktuellen Stand der Wissenschaft ab. Da das sogenannte Scale-up-Problem digitaler Lösungen bei Start-ups in Deutschland hinlänglich bekannt ist, wird insbesondere auf Erkenntnisse aus der wirtschaftswissenschaftlichen Debatte zurückgegriffen (vgl. Hinderberger 2021; Schuh/Studerus/Hämmerle 2022; Ulč 2021; Santisteban/Inche/Mauricio 2021). Dahingegen befindet sich die Skalierung vieler deutscher Smart-City-Lösungen in der Verstetigung und im Transfer noch in einer frühen Entwicklungsphase. Es fehlt bislang eine systematische Analyse erfolgreich skalierter Smart-City-Lösungen und erfolgsentscheidender Kriterien. Auch im internationalen Kontext finden sich nur wenige Analysen zum Untersuchungsgegenstand (vgl. van Winden/van den Buuse 2017).
Um ein umfassendes Bild der bestehenden Literatur im Themenfeld zu erhalten, wurden insgesamt 45 nationale und internationale Publikationen systematisch ausgewertet. Diese Publikationen umfassen unter anderem Buchbeiträge, Zeitschriftenartikel, Handbücher, Leitfäden und Berichte, die zwischen 2009 und 2024 veröffentlicht wurden und sich mit der Skalierung von digitalen Produkten im unternehmerischen und öffentlichen Kontext beschäftigen. Der Fokus der Literaturauswahl lag darauf, für die verschiedenen Untersuchungskontexte die jeweils beschriebenen Grundlagen und entscheidenden Einflussfaktoren für eine erfolgreiche Verstetigung und den Transfer zu betrachten. Darauf aufbauend erfolgte die Identifikation von Kriterien, die für eine erfolgreiche Verstetigung und/oder einen erfolgreichen Transfer von Bedeutung sind.
Um einen geeigneten strukturellen Rahmen für die Anwendung auf die Skalierbarkeit von kommunalen bzw. von Kommunen entwickelten und betriebenen Smart-City-Lösungen zu finden, orientiert sich die Roadmap in ihren Grundzügen an den typischen Entwicklungsphasen, die ein Start-up und auch eine digitale Lösung im Smart-City-Kontext von der Idee bis zum Regelbetrieb oder dem sogenannten Exit (z.B. Verkauf des Start-ups oder Fusion mit einem größeren Unternehmen) durchläuft. Anschließend wurde zugeordnet, welche organisatorischen, finanziellen, wirtschaftlichen und technischen Kriterien in welcher Phase besonders relevant sind, um die Lösung erfolgreich zu skalieren. Besonderes Augenmerk lag darüber hinaus auf der Identifikation wirkungsvoller Fördermechanismen für den interkommunalen Transfer, d.h. von begünstigenden Faktoren für die breite Anwendung einer Lösung, mit denen eine entwickelnde Kommune zielgerichtet von außen unterstützt werden kann.
Im Gegensatz zu den Voraussetzungen für die Verstetigung und den Transfer einer digitalen Lösung, die beispielsweise mit der unternehmerischen Logik eines Start-ups entwickelt wurde, gelten für eine Smart-City-Lösung im kommunalen Kontext rechtliche und regulatorische Besonderheiten. Daher können die Kriterien, die für die Verstetigung und den Transfer einer digitalen Lösung im Start-up-Kontext gelten, nicht immer eins zu eins auf den kommunalen Kontext übertragen werden. Hier leisten das Dossier und die Roadmap die notwendige Übersetzungsarbeit, um die für den Start-up-Kontext relevanten Faktoren auf den kommunalen Kontext zu übertragen.
Um die identifizierten Kriterien zu validieren und um fehlende Kriterien zu ergänzen, wurden anhand eines halbstrukturierten Interviewleitfadens Gespräche mit elf Expertinnen und Experten aus verschiedenen Sektoren (Kommune, Digitalwirtschaft, Innovationsagentur, Beratung) geführt. Diese Fachgespräche dienten zugleich der inhaltlichen Vorbereitung eines Multi-Stakeholder-Expertenworkshops, in dem die unterschiedlichen Perspektiven auf Erfolgsfaktoren und Hemmnisse für die Verstetigung und den interkommunalen Transfer von Smart-City-Lösungen eingeholt und kritisch diskutiert wurden. Im Anschluss an den Workshop wurden weitere sechs Expertinnen und Experten befragt, um insbesondere den Blick aus kommunaler Perspektive auf die ermöglichenden Faktoren für Verstetigung und Transfer weiter zu schärfen und die Roadmap für die spätere Anwendung zu testen (Expert:innen).
Rolle und Umfang der Roadmap
Diese digitale Roadmap dient der praxisorientierten Aufbereitung der in dieser Studie gewonnenen Erkenntnisse, um Kommunen bei der Verstetigung und dem Transfer von Smart-City-Lösungen zu unterstützen. Sie dient als Leitfaden, der die verschiedenen Phasen der Entwicklung und Umsetzung einer Smart-City-Lösung von der Ideenfindung bis zur Verstetigung und zum Transfer strukturiert und wichtige Meilensteine sowie Erfolgskriterien für jede Phase definiert.
Aufgrund der Komplexität des Lösungsraums und des frühen Entwicklungsstadiums vieler Smart-City-Lösungen im deutschen Kontext kann die Roadmap jedoch keinen abschließenden Erfolgsnachweis liefern. Daher bietet die Roadmap zwar einen grundlegenden Überblick über Skalierungstreiber und eine Anleitung zu deren Nutzung, ihre Anwendung erfordert aber gleichzeitig einen kontinuierlichen Lernprozess. Kommunen müssen selbst entscheiden, welche Kriterien in ihrem Kontext relevant sind und wie sie umgesetzt werden können.
Darüber hinaus verdeutlicht die Roadmap, dass in der Entwicklung von Smart-City-Lösungen von Anfang an wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt werden müssen, um langfristig erfolgreich zu sein. Diese Forderung nach unternehmerischem Denken sowie die in den ausgewerteten Publikationen verwendeten Konzepte aus der digitalen Wirtschaft müssen auf die kommunale Praxis übertragen werden und erfordern zudem die Bereitschaft, Lösungen für den Transfer in andere Kommunen zu konzipieren.
Diese Roadmap soll kommunalen Anwenderinnen und Anwendern helfen, die richtigen Schritte zu identifizieren, um ihre spezifischen Ziele im Bereich der Verstetigung und des Transfers von Smart-City-Lösungen zu erreichen und dabei sowohl organisatorische, finanzielle und wirtschaftliche als auch technische Aspekte zu berücksichtigen.